Fritz-Wörwag-Forschungspreis: Neue Erkenntnisse über nervenschützende Effekte von Biofaktoren

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Anlässlich des Diabetes Kongresses 2018 wurde am 9. Mai der Fritz-Wörwag-Forschungspreis verliehen, der neue Erkenntnisse über Biofaktoren prämiert – in diesem Jahr zu dem Thema „Biofaktoren zur Neuroprotektion“.

 

Für seine Arbeit über den Einfluss genetischer Variationen im Glukose-Stoffwechsel auf die Merkmale diabetischer Nervenschäden (Neuropathien) erhielt Prof. Dan Ziegler vom Institut für Klinische Diabetologie des Deutschen Diabetes Zentrums der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf den mit 10.000 € dotierten ersten Preis. Der zweite Preis, der mit 8.000 € gewürdigt wurde, ging an Prof. Jacqueline A. Pettersen von der University of Northern British Columbia in Prince George, Kanada, für ihre Forschungsergebnisse über Vitamin D und Gedächtnis. 

Die Arbeit von Ziegler et al. bewertete die unabhängige Jury als einen „revolutionären Ansatz in der Analyse von Faktoren, die zur Ausprägung diabetischer Komplikationen, hier insbesondere zur diabetischen Neuropathie, führen.“ Die Erkenntnisse könnten zur Erklärung beitragen, warum bei manchen Patienten eine schwere Nervenschädigung auftritt, während sie bei anderen mit vergleichbarer Diabetes-Einstellung und -Dauer milder verläuft, so das Wissenschaftler-Gremium. Ziegler und sein Team hatten untersucht, inwieweit unterschiedliche Genvarianten (Polymorphismen) eines Schlüssel-Enzyms im Zuckerstoffwechsel die Symptome der diabetischen Polyneuropathie beeinflussen1. Bei mehr als 500 Typ-1- oder Typ-2-Diabetes-Patienten mit einer Diabetesdauer von maximal einem Jahr identifizierten sie neun Polymorphismen für das Enzym Transketolase und korrelierten sie mit klinischen und neurophysiologischen Merkmalen der Neuropathie. Dabei zeigten sich spezifische Zusammenhänge zwischen einzelnen Genvarianten und bestimmten Manifestationen der Neuropathie. 

Schlüssel-Enzym für Vermeidung von Diabetes-Komplikationen
Schon frühere Studien legten den Schluss nahe, dass die Aktivität der Transketolase einen entscheidenden Einfluss auf die Entstehung diabetischer Folgeerkrankungen haben könnte: Das Enzym schleust Zwischenprodukte des Glukose-Abbaus, die sich in Folge des erhöhten Blutzuckers anstauen, auf einen alternativen Abbaupfad. Dadurch werden krankhafte Abbauprozesse eingedämmt, auf denen die angehäuften Zwischenprodukte ansonsten in gefäßschädigende Substanzen umgewandelt werden. 

Ein klinisch relevanter Bezug zu den Biofaktoren ergibt sich aus der Tatsache, dass die Transketolase als Cofaktor Vitamin B1 (Thiamin) benötigt; ihre Aktivität ist daher auch von der Versorgung mit dem Vitamin abhängig. Bei Patienten mit Diabetes liegt aber häufig bedingt durch eine verstärkte Ausscheidung über die Niere ein Mangel an Thiamin vor2. Frühere Studien internationaler Forscherteams zeigten, dass die Thiamin-Vorstufe Benfotiamin die Transketolase-Aktivität steigern und dadurch nervenschädigende Prozesse hemmen kann3,4. So können neuropathische Symptome durch eine Behandlung mit Benfotiamin gelindert werden5,6. Die Untersuchungen von Ziegler bestätigen nun, dass ein Zusammenhang zwischen der Transketolase und den klinischen Ausprägungen der Neuropathie besteht. Pharmakogenomische Erkenntnisse über Transketolase-Polymorphismen könnten dazu beitragen, diese Behandlungen in der Zukunft zu optimieren, so Zieglers Fazit.

Hoch dosierte Vitamin-D-Supplementation verbesserte visuelles Gedächtnis
Einem anderen wichtigen Bereich der Neuroprotektion widmete sich die Gewinnerin des zweiten Preises, Prof. Jacqueline Pettersen: Die kanadische Wissenschaftlerin hatte in einer randomisierten Studie mit 82 gesunden Erwachsenen untersucht, welche Wirkung eine niedrig dosierte Vitamin-D-Supplementation (400 IE pro Tag) im Vergleich zu einer hoch dosierten Gabe (4.000 IE pro Tag) über 18 Wochen auf die kognitive Leistungsfähigkeit hat7. Dabei zeigte sich, dass das nicht-verbale (visuelle) Gedächtnis durch die höher dosierte Supplementierung verbessert wurde, insbesondere bei den Teilnehmern, die zu Studienbeginn einen unzureichenden Vitamin-D-Spiegel (< 75 nmol/L) aufwiesen. Hingegen wurden keine Unterschiede beim verbalen Gedächtnis und anderen kognitiven Leistungen beobachtet. Pettersen schließt aus den Befunden, dass Vitamin D für anspruchsvolle kognitive Funktionen bedeutsam ist, insbesondere für das nicht-verbale Gedächtnis, welches Handlungsfunktionen beeinflusst.

Nach Ansicht der Jury beleuchtet die Wissenschaftlerin mit ihrer Studie „einen perspektivisch sehr wichtigen Aspekt für die prophylaktische oder therapeutische Gabe eines Biofaktors angesichts des zunehmenden Problems der Demenzen.“ Die Juroren würdigten zudem die sehr sorgfältig durchgeführte klinische Untersuchung.

Der Fritz-Wörwag-Forschungspreis wurde in diesem Jahr zum 9. Mal von dem mittelständischen Familienunternehmen Wörwag Pharma aus Böblingen verliehen. Ziel des vom Firmengründer Dr. Fritz Wörwag ins Leben gerufenen Wissenschaftspreises ist, die Forscher im Bereich der klinischen Anwendung von Biofaktoren zu unterstützen und zu fördern. Zu den Biofaktoren zählen Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und vitaminähnliche Substanzen, die in physiologischen Konzentrationen Mangelerscheinungen ausgleichen und in höheren Konzentrationen pharmakologische Effekte haben können.

Literatur
1Ziegler D et al. Association of transketolase polymorphisms with measures of polyneuropathy in patients with recently diagnosed diabetes. Diabetes Metab Res Rev 2017; 33: e2811
2Thornalley PJ et al. High prevalence of low plasma thiamine concentration in diabetes linked to a marker of vascular disease. Diabetologia 2007; 50: 2164-2170 
3Hammes HP, Du X, Edelstein D, et al. Benfotiamine blocks three major pathways of hyperglycemic damage and prevents experimental diabetic retinopathy. Nat Med 2003; 9: 294–299.
4Du X, Edelstein D, Brownlee M. Oral benfotiamine plus alpha-lipoic acid normalises complication-causing pathways in type 1 diabetes. Diabetologia 2008; 51: 1930–1932.
5Stracke H et al. Benfotiamine in diabetic polyneuropathy (BENDIP): Results of a randomised, double blind, placebo-controlled clinical study. Exp Clin Endocrinol Diab 2008; 116: 600–605 
6Haupt E et al. Benfotiamine in the treatment of diabetic polyneuropathy - a three-week randomized, controlled pilot study (BEDIP Study). Int J Clin Pharmacol Ther 2005; 43: 71-77
7Pettersen JA. Does high dose vitamin D supplementation enhance cognition?: A randomized trial in healthy adults. Exp Gerontol 2017: 90; 90–97

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Von links: Dr. Fritz Wörwag, Prof. Jacqueline Pettersen, Prof. Karlheinz Reiners, Prof. Dan Ziegler, Dr. Marcus Wörwag